Kampagne gegen psychische Gewalt an Kindern „Gewalt ist mehr als Du denkst“
Muss ich dir alles dreimal sagen?
Hast du keine Ohren?
Nicht du schon wieder!
Du bist zu dumm dafür!
Wenn du nicht aufisst, ist die Oma traurig.
Wenn du nicht jetzt nicht schläfst, dann knallt es!
Aus dir wird nie was! Jetzt stell dich nicht so an!
Hör auf zu heulen!
Kommt Ihnen einer dieser Sätze bekannt vor?
Wir alle haben eine recht klare Vorstellung, was körperliche Gewalt ist. Ein Kind mit dem Stock zu verprügeln, war zu früheren Zeiten üblich, heute ist das für uns unvorstellbar. Die berühmte Ohrfeige, der sogenannte „Klaps auf den Po“ werden dagegen noch praktiziert und als „da ist mir die Hand ausgerutscht“ verharmlost. Immerhin: Das schlechte Gewissen meldet sich.
Für die oben genannte Sätze, für psychische Gewalt gibt es allerdings kaum ein Bewusstsein. Dabei sind herabwürdigende Erziehungshandlungen, demütigende Äußerungen und Anschreien auch Gewalthandlungen gegen Kinder mit massiven Langzeitfolgen.
Was ist psychische Gewalt?
Psychische Gewalt meint ein wiederholtes Verhalten aufseiten der Erwachsenen beziehungsweise der Bezugspersonen, das dem Kind gegenüber eine feindliche oder abweisende Haltung zum Ausdruck bringt. Damit wird dem Kind das Gefühl gegeben, wertlos zu sein. Die psychologischen Grundbedürfnisse des Kindes werden nicht erfüllt und es wird vermittelt: Du bist wertlos, ungeliebt und unerwünscht. Da psychische Gewalt keine körperlich sichtbaren Spuren hinterlässt, ist sie viel schwerer feststellbar.
Mögliche Formen sind:
• Wenn Kinder kontinuierlich mit ihren Bedürfnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wünschen herabgesetzt oder zum Sündenbock gemacht werden (Ablehnung).
• Wenn den Kindern der Zugang zu sozialen Kontakten, die für eine normale Entwicklung und dem Erlernen sozialer Kompetenz wichtig sind, verwehrt wird (Isolieren).
• Wenn Kindern ständig mit dem Verlassen oder schweren körSchädigungen gedroht wird (Terrorisieren).
• Wenn Kindern die elterliche Aufmerksamkeit oder Ansprechbarkeit, die Kinder für ihre Entwicklung brauchen, dauernd entzogen wird.
• Wenn an Kinder dauernd übertriebene, unangemessene Anforderungen gestellt werden, die ihrem Entwicklungsstand nicht entsprechen und das Kind überfordern.
• Wenn Kinder Zeugen elterlicher Partnergewalt werden, auch ohne selbst direkt Misshandlungen zu erleben.
Diese Formen der psychischen Gewalt gehen sehr oft mit anderen Formen der Gewalt gegen Kinder einher. Entwürdigende Maßnahmen schaffen aber keine Einsicht bei Kindern, sondern demonstrieren, wer der Stärkere ist. Die Kinder werden verängstigt, verschreckt, beschämt und eingeschüchtert und dies kann zu schwerwiegenden Folgen in der Entwicklung der Kinder führen, genauso als wären sie misshandelt oder sexuell missbraucht worden. Viele Kinder leiden bis ins Erwachsenenalter unter psychischen Belastungen und Beziehungsstörungen. So hat das Universitätsklinikum Ulm in seiner Studie zum elterlichen Erziehungsverhalten aufgezeigt, dass Kinder, die von psychischer Gewalt betroffen waren, häufig Angststörungen oder psychosomatische Störungen ausbilden.
Der Kinderschutzbund möchte mit seiner Kampagne „Gewalt ist mehr als Du denkst“ auf diese Gewaltform aufmerksam machen. Wir wollen zum Nachdenken darüber anregen, mit welcher Haltung vielerorts Kindern begegnet wird.
#GewaltIstMehr: Machen Sie mit bei unserer Kampagne „Gewalt ist mehr, als Du denkst“!
Wir freuen uns, wenn Sie – Kinderschutzbund und auch Menschen außerhalb des Kinderschutzbundes – bei sich vor Ort sowie im Netz unter dem Hashtag #GewaltIstMehr auf dieses wichtige Thema aufmerksam machen. Unsere Plakate und Sharepics für die sozialen Medien finden Sie hier und hier.
Mit Kindern über den Krieg reden
Der Krieg in der Ukraine – das ist in diesen Tagen in vielen Familien das Thema Nummer eins. „Wir Eltern sind plötzlich – wieder (!) – gefordert, unsere Kinder in einer ungewissen, ungreifbaren und beunruhigenden Situation zu begleiten“, betont die Pädagogin, Kriminologin und Buchautorin Isabel Ruland aus Bonn. Sie erläutert, was Eltern tun können, um die Sorgen ihrer Kinder aufzufangen.
Den Text “Wie können wir mit unseren Kindern über den Krieg reden?” stellt Isabel Ruland dem Kinderschutzbund mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung.
KINDGERECHTE NACHRICHTEN & INFORMATIONEN
Wichtig ist vor allem: Mit Kindern muss gesprochen werden. Sie nehmen wahr, dass ihre Eltern und ihr Umfeld besorgt sind. Viele scheuen davor zurück. Dabei bekommen die Kinder durch die Medien unglaublich viel mit und vor allem spüren sie die Ängste der Menschen, die sie lieb haben. Das sind zum Beispiel ihre Eltern – also Eure/Ihre Ängste! Deshalb ist es wichtig, offen mit den Kindern über Krieg zu sprechen. Es nicht zu verschweigen, es nicht abzutun – gleichzeitig aber auch nicht zu überdramatisieren. Sachlichkeit ist geboten! Und den Fragen der Kinder Raum zu geben, soweit möglich. (Text: Jörg Niesner)
Kindgerechte Nachrichten bieten:
– Die Erklärvideos von ZDF Logo: https://www.zdf.de/kinder/logo
– Das Kinderradio KiRaKA: https://kinder.wdr.de/radio/kiraka/index.html
Hier finden sich außerdem Hinweise für Eltern: https://www.schau-hin.info/news/krieg-in-der-ukraine-kinder-mit-nachrichten-nicht-allein-lassen
Eine Übersicht mit Informationsquellen für Kinder findet sich auf www.blinde-kuh.de/aktuell/ukraine-spezial – hier gibt es Links zu kindgerechten Videos, Artikeln und Webseiten zur Ukraine, den Hintergründen des Konflikts und weiteren Themen.
Wie helfe ich meinem traumatisierten Kind?
Wenn Menschen eine außergewöhnliche Bedrohung erleben, kann dies auch zu seelischen Verletzungen führen. Psychotherapeuten sprechen dann von einem Trauma. Das Wort „Trauma“ bedeutet „Wunde“.
Die Bundespsychotherapeutenkammer hat einen Ratgeber erstellt, der Eltern erklärt, wie sie richtig auf ihre traumatisierten Kinder eingehen können.
Dieser Ratgeber ist bereits als Webseite verfügbar unter www.elternratgeber-fluechtlinge.de oder www.parent-refugees.de. Er ist in das Ukrainische und Russische übersetzt sowie auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Kurdisch und Persisch erhältlich.